Aschenputtel lebt

Plakat Theater Aschenputtel

Szene aus Aschenputtel lebt Märchen und Wirklichkeit – wie nahe das oft beieinander liegt, zeigte die selbstgeschriebene Inszenierung „Aschenputtel lebt“, die die Theater-AG der RSN in insgesamt neun Aufführungen unter Leitung von Gerhard Schulz vorstellte.

Dass ein Vater, gespielt im Wechsel von Helen Schall und Aileen Schwer, plötzlich ohne Partner mit einem Kind dasteht, kommt durchaus auch heute vor, häufiger wahrscheinlich als zu Zeiten der Brüder Grimm. Auch dass dieser Mann noch einmal heiratet und seine neue Frau ( Jessica Heldele, Michelle Bertsch) zwei eigene Töchter (Jessica Nagel, Amelie Etzel, Jana Weiss, Rebecca Gras) mit in die Ehe bringt, ist nachvollziehbar. Was daraufhin mit der armen Tochter Anja, hervorragend gespielt im Wechsel von Leonie Dajeng, Marie David und Julia Mönch, passiert, weiß man aus dem alten Märchen: Der Vater ist viel auf Geschäftsreisen und vergisst seine Tochter Anja, glaubt sie auch wohl versorgt. Die neuen Halbschwestern, in der Großstadt aufgewachsen, schauen verächtlich auf das einfache Landkind herab, führen ihre Markenfummel vor und warten auf den coolsten Typen. Anja nehmen sie alles weg: den Vater, das schöne Zimmer, ihre Freundinnen. Die Stiefmutter, ebenfalls sehr „modebewusst“, sorgt sich in erster Linie um ihre beiden leiblichen Töchter, ihre eigene Garderobe und ihr Mercedes Cabrio.

Als Anja wenigstens einmal bei der großen Disco auch dabei sein will, eskaliert die Sache. Ihr Disco-Outfit muss sie stehlen, da ihr niemand Geld gibt. Dann taucht sie bei der Disco auf und ist sofort die absolute Disco-Queen. Lucas (Laura Rothweiler, Janina Gelzinus), den sich gerade die Stiefschwestern unter den Nagel reißen wollten, hat nur noch Augen für Anja, die jedoch unerkannt entschwindet. Lucas erkennt Anja später bei seiner Suche beinahe wieder, doch ihre Stiefschwestern verhindern das und stellen Anja aufs Schlimmste bloß. Der Diebstahl der Disco-Fummel fliegt auf. Da bricht aus Anja der ganze angestaute Hass heraus: Sie läuft Amok und erschießt ihre ganze Familie.

Frustriert von seinem eigenen Schluss spielt das Theaterteam gleich noch eine zweite Variante des Endes: Anjas Verzweiflung richtet sich gegen sich selber, sie bringt sich um. Zutiefst unzufrieden auch mit diesem Ende fügt die Theatergruppe einen dritten Schluss an: Der Vater findet das einzige Mittel, das Anja aus ihrer tiefen Ausweglosigkeit retten kann: seine Liebe. Wie realistisch, wie märchenhaft dieser letzte, versöhnliche Schluss ist, das zu entscheiden bleibt dem Zuschauer überlassen.

Lena Lemke, die als alte Frau im Ohrensessel aus dem Originaltext der Brüder Grimm vorliest Dieses Stück geht wirklich unter die Haut, nicht zuletzt dank der Rolle von Lena Lemke, die als alte Frau im Ohrensessel immer wieder durch epische Zwischenstücke aus dem Originaltext der Brüder Grimm die Verbindung zum alten Aschenputtel schafft. Ihrem sprachtechnisch professionellen und rhetorisch unglaublich sensiblen Vortrag ist es zu verdanken, dass der Zuschauer immer wieder im tiefsten Innern berührt wird.

Zum ersten Mal kann die Theatergruppe der Realschule Neuffen mit diesem Stück auch gebucht werden für Gastspiele an anderen Schulen.